Thema Kabelklau: Oh Schreck, das Kabel ist weg

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ELECTRIC WOW / 23.12.2025.

Thema Kabelklau: Oh Schreck, das Kabel ist weg

Posted by: Mag. Severin Karl

Österreich ist bislang verschont geblieben, in Deutschland hat das Ding schon einen Namen: Kabelklau. Um den Diebstahl hochwertiger DC-Ladekabel zu verhindern, werden nun andere Saiten aufgezogen. Wir nennen die Trends zum sicheren Kabel.

 

Egal, was einen zur Schnellladesäule treibt, sei es die Fahrt in die verdiente Auszeit oder der Stress vor dem nächsten Termin: Ist einfach kein Ladekabel mehr an der Station dran, schaut man sprichwörtlich durch die Finger. Der Kabelklau geht um – zum Glück derzeit ein sehr deutsches Phänomen

Gewinn macht hier keiner

Werden HPC-Kabel abgetrennt, gibt es Gewinner und Verlierer. Wobei den Gewinnern nach verschiedenen Schätzungen nicht einmal 100, vielleicht nur 50 Euro bleiben, der Materialwert der Kupferkabel. Auf der Verliererseite summieren sich eventuelle Umwege und Liegenbleiber bei den Autofahrern sowie tausende Euro bei den Betreibern. Denn in modernen Kabeln steckt eben nicht nur Kupfer und der Ausfall einer Ladestation ist ein großer wirtschaftlicher Schaden. Eine Reparatur dauert gerne zwei Wochen und nicht vergessen werden darf dabei die neuerliche Eichrechtsprüfung, die bei jedem neuen Kabel vor einer Wiederinbetriebnahme vorgeschrieben ist.

Auf Nachfrage von electric WOW heißt es bei Ionity, dass in Österreich tatsächlich noch kein Kabel abhandengekommen ist, in Deutschland jedoch bereits 30 Stromspender. Sehr pfiffig: Ähnlich den präparierten Geldpaketen in der Bank verwendet Ionity Farbpatronen, die beim Aufschneiden platzen und unübersehbare Spuren hinterlassen, wodurch die Kabel eindeutig als gestohlen erkennbar sind und die Diebe ebenfalls gekennzeichnet werden. Auch verschiedene Tracking-Maßnahmen werden von Betreibern von Ladestationen eingesetzt. So sind die Kabel leicht rückverfolgbar und der Weiterverkauf wird erschwert. „Zudem setzen wir beim ultraschnellen Laden auf flüssig gekühlte Kabel. Dadurch ist der Kupferanteil geringer, was Diebstähle wirtschaftlich unattraktiver macht.“ Bei Ionity betont man zudem, dass neben Prävention auf schnelle Wiederinstandsetzung gesetzt wird. Bereitgehaltene Ersatzkabel und enge Zusammenarbeit mit Partnern vor Ort gehören dazu. Zudem wird darauf hingewiesen, dass die Bran- chenverbände gemeinschaftlich Lösungsansätze ersinnen, um dem Thema geschlossen entgegenzutreten. „Denn es geht hier nicht um Einzelfälle sondern um kritische Infrastruktur und die Zukunft der Mobilität.“ Jeder Ausfall lässt Elektromobilität weniger alltagstauglich erscheinen, das Vertrauen der Kunden soll bloß nicht erschüttert werden.

Auch in der finstersten Ecke kann man sich wehren

Während Ionity nicht zuletzt auf gut beleuchtete Standorte an tags und nachts belebten Plätzen setzt, bringt das deutsche Familienunternehmen Ladezon den Kabelschutz Gridzon auf den Markt. So können sich auch DC-Stationen in der dunkelsten Ecke gegen Bösewichte wehren, die nachts aus einem abgerockten Van aussteigen – so unsere Klischeevorstellung. Gridzon jedenfalls besteht aus einer Hochleistungsfaser-Ummantelung, die im Test auch nicht von der hydraulischen Rettungsschere der Feuerwehr durchtrennt werden konnte. Dazu verursacht das Material keinen Hitzestau, was beim Dauerbetrieb ein wesentlicher Punkt ist. Und vom Handling des Ladekunden her? „Im Praxistest ergab sich im Vergleich zum ungeschützten Kabel nur ein minimal höheres Eigengewicht am Stecker“, der sei kaum spürbar, meint Jonas Radau, einer der vier Geschäftsführer von Ladezon. Will sich ein Dieb an der vermeintlichen Unzerstörbarkeit probieren, ist es gut zu wissen, dass Gridzon mehr als nur eine Ummantelung ist. Auch eine Sabotageleitung ist integriert – bei deren Durchtrennung wird automatisch ein Alarm ausgelöst, die Sirene heult mit 117 dB. Unbemerktes Wegkommen ist dann schwierig, denn auch ein Blitzlicht geht als optischer Alarm an. Ein starkes Zeichen gegen den Kabelklau, der an immer weitere Arten von Ladestationen angepasst wird, denn auch die Endbox muss entsprechend gestaltet sein.

Das Thema Farbe scheint derzeit heiß zu sein, denn auch die US-Firma Catstrap bietet mit dem DyeDefender einen Kabelmantel an, der Diebe mit Schnittwerkzeug ordentlich einfärbt. Erfahrung hat die Firma schon beim Kampf gegen den Katalysator-Klau gesammelt. Dann spielen auch noch die Schweden mit: Die Firma Brandfokus kommt eigentlich aus der Brandbekämpfung, bietet mit dem EVC Shield einen Schlauch aus Stahlgeflecht und Kunststoffhülle für Ladekabel an. Auch hier ist Farbe drin, der Witz daran: Brandfokus rühmt sich, jede Farbe anmischen zu können. Anhand des CI-Farbtons könnte man gleich erkennen, von welcher Station ein Dieb kommt.

Überwachte Tankstellen­-Ladeplätze

Für besonders exponierte Standorte, wo die Gefahr eines Vergehens größer ist, prüft auch Mer zusätzliche Schutzmaßnahmen, die von Schnittschutzlösungen oder Farbmarkierungen bis hin zur klassischen Kameraüberwachung reichen. „Der Gesamtschaden ist immer auch abhängig vom Standort, kann aber mit Umsatzausfall und den entwendeten Kabeln schnell ein höherer fünfstelliger Betrag sein“, heißt es vom Anbieter, der solche Fälle in Österreich noch nicht feststellen konnte. Auch bei Mer rechnet man mit zwei Wochen, bis eine Ladesäule mit abgeschnittenen Kabeln wieder einsatzbereit ist. Bei Shell Recharge sieht man es ähnlich wie bei Ionity: „Wir stehen mit unseren Tankstellen nicht so sehr im Fokus, weil wir Personal vor Ort haben, der Tankstellenvorplatz auch gut beleuchtet und mit Überwachungskameras ausgestattet ist.“ Da bietet die Kombination aus neuen Ladesäulen und vorhandener Infrastruktur natürlich einen handfesten Vorteil.

DC­-Kabel einfach mitbringen?

In diversen Foren kommt teils die Frage hoch, warum man nicht auch an DC-Ladern einfach seine eigenen Ladekabel mitnehmen sollte. Lustige Idee, aber nicht möglich. Wie erwähnt sind HPC-Kabel keine simplen Kabel, nicht zuletzt wegen der Kühlung für die hohen Leistungen. Ein transportables Kabel für die DC-Station wäre viel zu unhandlich und schwer. Jeder, der schon sein Typ-2-Kabel im Alltag einfach in den Kofferraum wirft, weil man es nicht säuberlich in den Frunk oder unter die Ladeabdeckung zusammenrollen will, muss bei dieser Idee laut lachen.